18. Januar 2023
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Ob Straßenblockade, Manipulation der Infrastruktur oder Übergriffe auf Kunstwerke. Das Aktionsbündnis „Letzte Generation“ macht mit kontroversen Aktionen darauf aufmerksam, dass der Menschheit der Klimakollaps droht und dass es höchste Zeit ist, zu handeln, wenn man diesen noch abwenden will. Wie weit darf man dabei aber für die eigenen Ziele gehen?

Wer ist die „Letzte Generation“?

Bei der „Letzten Generation“ handelt es sich um eine Klimaschutzgruppe, die insbesondere durch radikale Aktionen und Zielformulierungen bekannt geworden ist. Sie gründete sich 2021 und wurde im Jahr 2022 öffentlich aktiv. Die „Letzte Generation“ geht davon aus, dass die Zeitspanne, in der die Menschheit vor der Klimakatastrophe zu retten wäre, nur noch äußerst kurz ist und gewissen Klimakipppunkte schon erreicht oder bald überschritten sind. Dabei beruft sich die Gruppe auf harte wissenschaftliche Annahmen und Fakten, die dem Urteil ihrer Kritiker nach aber von einem Worst-Case-Szenario ausgehen. Angesichts der Naherwartung des Klimakollaps greift die „Letzte Generation“ zu Aktionsformen, die die politischen Entscheidungsträger zum Handeln auffordern und dieses ggf. erzwingen wollen. Dazu gehörten bisher im zum Beispiel Sitz- und Straßenblockaden, Farb- bzw. Lebensmittelattacken auf Kunstwerke sowie das Lahmlegen von Flughäfen. Drastischere Maßnahmen wie die Manipulation von Infrastruktur wurden bereits bei Ausbleiben des bisherigen Aktionserfolgs angekündigt.

Formen des Widerstandes

Insgesamt sind die Ziele der „Letzten Generation“, u. a. Erhalt des Dorfes Lützerath und Stopp des Braunkohleabbaus im Rheinland, Dekarbonisierung, Maßnahmen gegen die Lebensmittelverschwendung, Tempolimit auf deutschen Autobahnen…, weniger umstritten als die Mittel ihrer Durchsetzung. Diese stoßen auf eine breite Ablehnung. Die juristische und politische Bewertung der Widerstandsformen ist aber noch nicht abschließend geklärt: Handelt es sich um Formen des zivilen Ungehorsams oder gehen einige (angekündigte) Aktionen darüber hinaus? Wie weit dürfen solche Aktionen überhaupt gehen, insbesondere dann, wenn ihnen das Ziel zugrunde liegt, das Leben auf dem Planeten vor dem Aussterben zu retten?

Wie weit darf der Staat gehen?

Bisher wurden Anhänger:innen der „letzten Generation“ über 200-mal in Gewahrsam genommen. Dabei hat die Staatsmacht bisher unterschiedlich hart durchgegriffen. U. a. wurden einige Aktivist:innen  in München ohne Prozess für 30 Tage in Gewahrsam genommen und eine bundesweite Razzia hat stattgefunden. Viele Rechtsexpert:innen halten dieses Vorgehen der Ordnungskräfte bzw. das Strafmaß für übertrieben. Auch die Reaktionen des Rechtsstaats führen also unweigerlich zu der Frage nach der Angemessenheit der Mittel, in diesem Fall, um seine Bürger:innen vor den Folgen der Aktionen der Klimaaktivist:innen zu schützen.

Anknüpfungspunkte für den eigenen Unterricht

Die Lernenden sind in ihrer medialen Umwelt höchstwahrscheinlich mit den Aktionen der „Letzten Generation“ konfrontiert worden, möglicherweise aber darüber im Unklaren, wer eigentlich die „Letzte Generation“ ist, welche Ziele sie verfolgt und ob die eingesetzten Mittel zur Erreichung ihrer Ziele rechtlich, aber insbesondere ethisch angemessen sind. Oder auch: Ob die Reaktion des Staates darauf angemessen ist. Thematisch lässt sich im Ethikunterricht z. B. in Unterrichtseinheiten im Bereich „Recht, Gerechtigkeit, Naturrecht, positives Recht“ oder im Kontext umweltethischer Problemstellungen an die aktuellen Ereignisse anknüpfen:

  • Eingeleitet werden kann die Unterrichtssequenz z. B. durch Bilder von Protestaktionen und/oder Reaktionen der Ordnungshüter darauf. Anschließend wird die Problemfrage formuliert, z. B: Ist angesichts einer drohenden Klimakatastrophe jedes Mittel recht, um die politischen Entscheidungsträger zum Handeln zu zwingen?
  • Anschließend kann den Lernenden die Möglichkeit gegeben werden, sich selbst mittels der Vier-Ecken-Methode zu der Ausgangsfrage zu positionieren und Stellung zu beziehen; die vier Positionen könnten lauten:

Zur Durchsetzung fundamental wichtiger Ziele wie die Rettung der Menschheit vor der Klimakatastrophe ist jedes Mittel erlaubt, schließlich heiligt der Zweck die Mittel! Da ist eine Straßensperre noch eine sehr milde Form des Widerstandes.

Man darf schon ein Zeichen setzen, um auf den Klimawandel und seine schlimmen Folgen aufmerksam zu machen. Schließlich zerstört der menschengemachte Klimawandel die Lebensgrundlagen aller Lebewesen. In dieser Notsituation müssen mit dem Protest Zeichen gesetzt werden, die auch über das Gesetz hinausgehen dürfen, solange sie friedlich bleiben. 

Nach Art. 8 des Grundgesetzes dürfen Menschen sich friedlich versammeln, um für die eigene Sache zu demonstrieren. Daher ist es wichtig, möglichst viele Menschen für die Klimaproblematik zu sensibilisieren und gemeinsam mit ihnen auf die Straße zu gehen. So kann Druck auf die staatlichen und politischen Entscheidungsinstanzen erzeugt werden.

In der Bundesrepublik gibt es eine parlamentarische Demokratie. Jede Bürgerin und jeder Bürger hat (ab einem festgelegten Alter) die Möglichkeit, zu wählen und gewählt zu werden. Am besten ist es, sich in einer Partei zu engagieren und dort alles dafür zu tun, dass sich Parteien und Regierung für die Klimarettung engagieren.

  • Daran anknüpfend wird das weitere Vorgehen mit den Lernenden abgesprochen. In der Erarbeitungsphase wird dann die ethische Problematik am Thema analysiert:

So geht’s:

  1. Die problematische Situation erkennen: Die wichtigsten Informationen zum Thema werden zusammengetragen (s. u. Medientipps). Es wird bestimmt, welche Handlungen zur Diskussion stehen, wer oder was von den Handlungen betroffen ist und welche Folgen sie für die Betroffenen haben.
  2. Das Problem untersuchen: Es wird untersucht, welche Interessen in der Situation aufeinandertreffen, und entschieden, ob sich diese Interessen auf anerkannte Normen und Werte stützen oder diese verletzen.
  3. Die Handlungsvarianten bewerten: Abschließend werden die möglichen Handlungsalternativen vorgestellt und bewertet.
  • Abschließend können die Lernenden sich erneut mittels der Vier-Ecken-Methode positionieren und ihr erstes spontanes Urteil überprüfen.

Habt ihr in eurem Unterricht schon einmal die „Letzte Generation“ thematisiert? Wie stehen eure Lernenden zu den Protestformen der „Letzten Generation“?

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