25. April 2024
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Die Kluft zwischen dem kirchlichen Verständnis von Genderfragen und Sexualität und dem gesellschaftlichen Umgang mit diesen Themen wird immer größer. Sie stellt die katholische Kirche vor Herausforderungen, die auch den konfessionellen Religionsunterricht betreffen. Wie kann der Spagat zwischen Anspruch und Lebenswirklichkeit im Unterricht gelingen?

Augustinus verurteilte Sexualität als sündhaft und stellte ihr die Askese als ideal gegenüber. Diese Auffassung hat die die Lehrmeinung der Kirche über Jahrhunderte geprägt. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil fand jedoch eine Neubewertung der körperlichen Lust statt. Heute betont Papst Franziskus, dass Sexualität als Teilhabe an der Fülle des Lebens in Christi Auferstehung erlebt werden kann.

Scheitern an den eigenen Ansprüchen

Diese neue positive Sicht der katholischen Kirche auf Sexualität gilt jedoch nur für Männer und Frauen, die in einer Ehe zusammenleben. Die Beziehung zwischen Mann und Frau stellt aus katholischer Perspektive das Ideal dar.

Die Genderforschung fragt das christliche Menschen- und Familienbild an. Die Kirche reagiert mit Angst und dem Impuls, ihr Weltbild verteidigen zu müssen. Das gilt auch in Bezug auf homosexuelle Beziehungen.

Demgegenüber stehen Priester, die Missbrauch begangen haben, in Beziehungen zu Frauen oder Männern leben und uneheliche Kinder haben. Es kommt zu einem permanenten Scheitern an den eigenen Ansprüchen. Die Folge ist, dass die katholische Kirche in Fragen der Sexualität noch weniger ernst genommen wird. Ein besserer Weg wäre es, die sexuelle Vielfalt anzuerkennen und Menschen darin zu bestärken, sich selbst anzunehmen und sich selbstständig zu entwickeln.

Genderfragen und Sexualität im Religionsunterricht

Wie schwer sich die katholische Kirche mit der Vermittlung dieser Themen tut, zeigt das Dokument „Als Mann und Frau schuf er sie. Für einen Weg des Dialogs zur Genderfrage in der Bildung.“ Das von der katholischen Bildungskongregation herausgegebene, mehrseitige Dokument wirbt für die katholische Lehre der unterschiedlichen Identität von Mann und Frau und die christliche Vorstellung von Familie. Das verschärft das Problem, dass die Positionen der Kirche nicht der Auffassung der Lernenden entspricht und die Kirche aufgrund ihres eigenen Verhaltens nicht als ernst zu nehmende Instanz betrachtet wird. Ein möglicher Umgang mit Genderfragen und Sexualität im Unterricht kann daher daraus bestehen,

  • dass Positionen und Diskurse inhaltlich erfasst und dargestellt werden,
  • dass die Lernenden Hintergrundwissen erwerben,
  • dass sie Positionen nachvollziehen können,
  • dass sie eine eigene Position einnehmen und begründet vertreten können,
  • dass sie Möglichkeiten der Einflussnahme kennenlernen.

Für euch als Lehrkräfte wiederum bedeutet das,

  • die eigene Position wohl dosiert einzubringen,
  • authentisch zu bleiben,
  • auf eine vielfältige Darstellung zu achten,
  • kritische Punkte deutlich zu benennen,
  • „Kirchen-Bashing“ zu vermeiden.

Letztlich ist die Entwicklung von Toleranz höchstes Unterrichtsziel.

Übrigens: Beispiele dafür, wie die Umsetzung des Themas „Typisch Mann – typisch Frau?“ im Unterricht gelingen kann, findet ihr in den Kapiteln 1 und 7 des neuen Leben gestalten 3 für Realschule und differenzierende Schulformen sowie in den Kapiteln 2 und 7 des neuen Leben gestalten 3 für Gymnasien und Gesamtschulen.

Ich wünsche euch viel Erfolg dabei, diesen anspruchsvollen Spagat im Unterricht zu meistern.

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